Ein Gespräch über gestern, heute und morgen | etnow Interview mit Hans von Burkersroda, Geschäftsführer von Kultour

Kultour Geschäftsführer Hans von Burkersroda

Kultour Geschäftsführer Hans von Burkersroda

„Anfangs war alles noch sehr rudimentär“

Kultour, Spezialist für mobile Bühnen, hat unmittelbar nach Beginn der Corona-Pandemie seinePläne für 2020/2021 angepasst . Neben Investitionen in Marketing und Vertrieb entwicklte manneue Produkte, mit denen man den angestammten Markt zum Teil verlassen hat. Ein Gesprächüber gestern, heute und morgen mit Geschäftsführer Hans von Burkersroda.

Vorab eine Frage: Was hat Corona bei Kultour verändert?
Wir sind bisher ganz gut durch die Krise gekommen, hatten wir docheinen sehr guten Auftragsbestand, den wir bis in den Oktober hinein ab-arbeiten konnten. Jetzt gerade entdecken viele unserer Kunden ihre Mög-lichkeit, Instandhaltungs-Arbeiten und ab Januar auch Modernisierungenihrer Bühnen bei uns vornehmen zu lassen
Das klingt positiver als bei vielen anderen, daher erst einmalein Blick zurück: Heute gibt es zwei Unternehmen mit demNamen Kultour, auf der einen Seite ein Busunternehmen imBereich des Touring und auf der anderen Seite den Anbietermobiler Bühnen & mehr. Wie kam es dazu?
In den späten 70er Jahren gab es bei uns in Münster einen Verein fürReisen und Touristik mit Bussen, die kleinere Reisegruppen in die „span-nenden“ Gebiete in Europa brachten, etwa nach Albanien, Russland oderIsland. Durch Zufall lernte ich während meiner Zeit als BWL-Studentdiesen Verein kennen, wurde binnen kürzester Zeit in die Organisationeingebunden und war fortan für die Disposition der Busse zuständig. Ausdiesem anfänglichen Hobby wurde schließlich mit Übernahme des Vereins durch ein paar Freunde und mich ein Beruf.
Wir teilten dann die unterschiedlichen Reise-Segmente auf und grün-deten einzelne, kleine Unternehmen, so etwa die heute immer noch exi-stierende „Horizonte“, die Klassenfahrten, Schulausflüge und Gruppenreisen anbietet. Die zweite Firma hieß „Kultour“ und befasste sich mit Tourneen. Damit waren wir quasi Vorreiter in diesem Segment und befassten uns anfangs nur mit Gruppen. Unser größter Kunde damals hieß „Internationales Institut für vergleichende Musikstudien“. Deren Aufgabe bestand darin, Künstler aus Papua-Neuguinea, Algerien und vergleichbaren Ländern aus der ganzen Welt gezielt in Europa touren zu lassen – ein halbstaatliches Unternehmen.
Das war sozusagen der Startschuss im Tourgeschäft. Und je komfortabler die Busse wurden, umso mehr Künstler kamen zu uns. Zu den er-sten zählte Eric Burdon. Es war seinerzeit noch so, dass wir Sitzgruppenmit gegenüberliegenden Sitzen und Tischchen dazwischen hatten – wiein einem Bahnabteil. Wir haben dann Bretter und Matratzen darüber ge-legt, sodass die Musiker dort auch schlafen konnten. Das war allerdingsnoch sehr rudimentär.
Aus diesen Anfängen hat sich der Kultour Tourneeservice als Teil einergrößeren Firmengruppe von sechs Freunden und mir entwickelt. Mitteder 90er Jahre erwischte uns eine schwere Krise, die nicht alle Unterneh-mensteile überlebt haben. Im Herbst 1994 wurde dann die Firma Kultourmit dem Tourneegeschäft neu gegründet. Als das Unternehmen sich gera-de wieder stabilisierte, kam die nächste Krise mit dem plötzlichen Verfalldes englischen Pfunds, der dazu führte, dass die ganzen englischen Tour-busse aufgrund des günstigen Umrechnungskurses plötzlich auf dem eu-ropäischen Festland unterwegs waren. Das brachte mich zu der Frage,was man alternativ tun könnte.

 
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Und dann sagt man sich einfach so: „Baue ich halt mobile Bühnen“?
Nicht ganz. Wie es der Zufall so will, fragte jemand, ob ich nicht eineIdee für eine große Bühne hätte, die einem Orchester Platz biete und 20Minuten nach der Vorstellung bereits wieder verschwunden sein müsse. Nach längerer Suche fand ich die Firma Europodium im Elsass, die damals bereits mobile Bühnen baute und die gewünschte Trailerbühne imAngebot hatte. Diese mobilen Bühnen faszinierten mich dermaßen, dass ich von einem Besuch vor Ort die kleine mobile Bühne „Stagecar 3“ mitbrachte. Da es diese Art von Bühnen in Deutschland bis dato noch nichtgab, war die neue Geschäftsidee geboren.
Trotz längerer Überlegung fiel mir kein passender Name für die erstedeutsche Trailerbühne ein, also nannte ich sie einfach „Willy“ – wie der Vorname. Binnen kürzester Zeit verkauften wir rund 100 Stück – und damit war „Willy“ in der Branche ein Begriff. (Foto links unten)Doch mitdem Erfolg kam auch der Wettbewerb, und es kam zu Differenzen mitdem französischen Hersteller. Also begannen wir, unsere eigenen Bühnen zu entwerfen und zu bauen. Prinzipiell hielten wir uns an „Willy“ als Muster und sind bis heute dafür bekannt, dass unsere Bühnen auf Fahrgestellen montiert sind und sich ausklappen. Verglichen mit den anderen Konstruktionen spart man auf diesem Weg bis zu 90 Prozent Zeit undPersonal - und letzten Endes geht es nur darum.

Gab es auch ein Vermietgeschäft?
In der Tat. Aus dem Bühnenverkauf hatte sich relativ schnell auch eineBühnenvermietung entwickelt. Unsere 4 bis 5 Vorführmodelle wurdenwährend der laufenden Saison vermietet und zu Saisonende abverkauft. Bereits nach kurzer Zeit war das Mietgeschäft größer als das Handelsgeschäft, sodass wir uns einige Jahre lang ausschließlich um die Bühnenvermietung gekümmert haben. Unter tatkräftiger Unterstützung von Mi-chael Lück (Expo Engineering, Bild unten Mitte) begannen wir im Laufeder Zeit aber wieder, eigene Produkte zu entwickeln. Unsere erste ge-meinsam entworfene Bühne war die Smart Stage 80, eine 10 x 8 m große Trailerbühne, die es zu dem Zeitpunkt in Deutschland noch nicht gab. Später kamen Tribünen dazu. Diese waren besonders erfolgreich imSport, allen voran Reiten und Radfahren. Das führte dazu, dass irgendwann unser Tribünenpark deutlich größer als unser Bühnenpark war.

 
 
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Dennoch wurde der größere Vermietbereich aufgegeben – um sich auf das kleinere Herstellungs- und Verkaufsgeschäft zukonzentrieren?
Das große Problem in der Vermietung mobiler Bühnen ist die Saisonalität. Entweder hat man zu wenig Material und Personal – oder alles stehtstill. Also haben wir einen Schlussstrich gezogen, die vorhandenen Bühnen verkauft und die Tribünen zwar behalten, aber das Handling ausgelagert. Von dem Moment an konnten wir uns vollständig auf die Herstellung konzentrieren. Alternativ hätten wir den Markt monopolisieren und den einzigen ernstzunehmenden Mitbewerber aus dem Geschäft drängenkönnen. Aber erstens wollte der Kollege damals nicht verkaufen, undzweitens hatten wir auch nicht das entsprechende Personal, sodass letztendlich auch die nötige Motivation fehlte. Wir haben uns also auf dieHerstellung konzentriert.
War diese Umstellung eine gute Entscheidung?
2013 Haben wir die Bühnenvermietung aufgegeben und damit angefangen, den Stahlbau selbst zu machen. 2017 folgte die Aufgabe der Tribühnenvermietung. Und ja: Es war eine gute Entscheidung. Wir habentrotz Aufgabe eines ganzen Geschäftszweigs nicht an Umsatz eingebüßt. Im Gegenteil: Wir haben den Verlust aus der Vermietung überkompensiert.

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Sind die Kunden diesen Weg einfach mitgegangen? Schließlich geht es beim Kauf einer mobilen Bühne um erhebliche Summen, und in Zeiten wie diesen bedeutet eine Investitionoftmals auch, dass bereits lange vor dem Liefertermin Gelderfällig werden...
... das nennen wir Saisonalität im Kopf unserer Kunden. Der gemeineBühnenkunde denkt im März zu Frühlingsbeginn über Anschaffungennach. Er möchte die bestellte Bühne natürlich spätestens Anfang Maieinsetzen können. Eine für einen Hersteller ziemlich ungünstige Situation, kann er ja nicht nur drei Monate produzieren, sondern bestenfallsdas ganze Jahr über. Heute produzieren wir große Bühnen nur auf Anfrage. Kleine Bühnen haben wir allerdings immer auf Lager.
Bestellt ein Kunde nun eine große Bühne, folgt die nächste Schwierig-keit: Er soll bei Auftragsvergabe schon für eine Finanzierung bezahlen,bevor die Ware geliefert wurde. Als Folge bestellen die Kunden wiede-rum eine neue Bühne so spät wie möglich. Wir als Hersteller dagegenwünschen uns im Idealfall Bestellungen gleich nach der abgelaufenenSaison, damit wir genügend Zeit für die Herstellung haben.
Ein schwierig zu lösender Balanceakt.
Keineswegs. Mit unserem Finanzierungs-Partner (die abc-FinanceGmbH – Anmerkung der Red.) bieten wir seit kurzem einen ganz einfachen Weg, um dieses Problem zu lösen: Mit Unterzeichnung des Kaufvertrags wird eine Anzahlung fällig, die unser Partner an uns auszahlt. Die anfallenden Zinsen werden durch uns übernommen. Damit beginntfür den Kunden die Zahlung der Leasing-Rate erst bei Lieferung, also dann, wenn auch durch die Vermietung der Bühne Einnahmen fließen. Wir finden auch in Zeiten der Pandemie immer eine Lösung.
Findet die Produktion komplett hier vor Ort statt?
Die Endmontage und der Stahlbau bis ca. 10 Meter Länge findet komplett hier statt. Was größer ist, lassen wir fertigen, aber unter unserer Kontrolle. In unserem Beschichtungswerk wird beschichtet.
Wie sieht es mit dem Wettbewerb aus?
Da muss man den Markt aufteilen in die Bereiche bis 3,5 Tonnen undüber 3,5 Tonnen, in Bühnengrößen gesprochen heißt das heißt, 8 x 6 moder 9 x 7 m. Im Bereich von 3,5 Tonnen haben wir Mitbewerber, zum Beispiel in Deutschland Stagemobil oder in Österreich Stagepartner sowie ein paar ganz agile Firmen in Osteuropa, die ihr Geschäft ausschließlich über den Preis machen und unsere Produkte kopieren, ohne unser Know How zu besitzen. Aber ich denke, die Kunden erkennen auch, dass wir mit Ingenieuren arbeiten und nicht nur mit Handwerkern, die das irgendwie zusammensetzen. Unterm Strich liegt unser Marktanteil beiden kleinen Bühnen schätzungsweise bei 30 %, bei den großen bei rund50 bis 60 %.
Wie sind die gesetzlichen Vorgaben für mobile Bühnen?
In Hinblick auf das Gesetz bewegen wir uns in einer großen Grauzone, da diese Bühnen gewissermaßen Zwitter sind: Einerseits sind es Fahrzeuge und andererseits sind es Bauwerke. Als Fahrzeuge unterliegen sie dennormalen Fahrzeug-Richtlinien, und als Bauwerke unterliegen sie demBaurecht. Wie auch beim Hausbau gibt es eine Statik, eine Bauabnahme usw., mit dem Unterschied, dass es eben ein „fliegender“ Bau ist, den man an verschiedenen Orten aufstellen kann. Die Baugenehmigung für größere Bühnen ist das Baubuch. Davon ausgenommen sind nur Bühnen unter 5 Metern Höhe.
Das wiederum interpretieren viele Leute so, dass sie in den Segmentenunterhalb der Grenze von 5 Metern Höhe und 75 Quadratmetern Flächedie Bühne nicht als Bauwerk ansehen; und auch die Aufsichtsbehörden sagen, dass sie sich um diese Fälle nicht kümmern, was oft zu Unstimmigkeiten führt. Im Bereich über 5 Metern Höhe und über 75 Quadratmetern Fläche ist man zwingend an die Vorschriften gebunden.
Gibt es neben den gesetzlichen Vorgaben weitere zu beachtende Sicherheitsaspekte?
Man unterscheidet bei Bühnen die beiden Zustände „in Betrieb“ und „außer Betrieb“. In Betrieb muss die Bühne bis zur Windstärke 8 standhalten.
Nimmt man die Bühne außer Betrieb, entfernt man die Rücken- und Seitenwände, was auf der Bühne zu einer steifen Brise führen kann oderanders: Das Schlagzeug fliegt dann schon fast weg. Auch gibt es bei den meisten LED-Wänden Probleme, da sie eine große Windangriffsfläche bieten und man sie nicht ohne weiteres abtakeln kann. Ganz anders unserem mobilen Smart Screens: Die klappt man einfach ein - und aus dem Bauwerk wird ein Fahrzeug.
Bei den Rückwänden gibt es seit ein paar Jahren die Vorschrift, dassman von unten die Rück- und Seitenwand entfernen können muss, wennman von dem „In-Betrieb-Zustand“ in den „Außer-Betrieb-Zustand“ wechselt und es schon ziemlich windig ist. Niemandem ist zuzumuten, bei Sturm mit einer Leiter irgendwo in 10 Metern Höhe irgendetwas abzubauen.
Also haben wir anfangs Rückwände entwickelt, die durch einen einfachen Mechanismus nach unten fallen – eine suboptimale Lösung, da die Rückwände oft nicht so fielen, wie sie sollten. Wir brauchten also eineandere Lösung: Heute ziehen wie die Rückwand komplett hoch – wie beieiner Gardine. Dann fängt zwar der Stagemanager wegen des Schlag-zeugs an zu schreien, aber das muss man als Bühnenbetreiber aushalten.
Kann man bei Bedarf einer richtig großen Bühne zum Beispiel 4 kleinere Bühnen miteinander kombinieren?
So etwas kann meines Wissens nach nur der kanadische Weltmarktführer Stageline, den ich sehr respektiere. Das Unternehmen baut tatsächlich 16 Meter breit, 15 Meter hoch und 60 Tonnen schwer. Es kommen beim Einsatz mehrere Trucks, die zusammen eine hybride Bühne errichten: Ein Truck liefert den ausklappbaren Boden, ein weiterer Truck hat vier Masten geladen, die mit einem Kran eingesetzt werden und ein dritter Truck bringt das Dach, das ausgerollt und mit den Masten hochgefahren wird. Trotz des Aufwands ist das deutlich effektiver, als alles mit der Hand zu bauen.
Gibt es weitere Sonderbauten?
Es gibt auch mobile Bühnen, in denen Licht und Ton integriert ist. Da die Anforderungen und Wünsche jedoch so unterschiedlich sind, machen das die Kunden zumeist in Eigenregie.
Dann gibt es noch die Abteilung Showtrucks. Die dienen teilweise einem ähnlichenZweck wie eine Bühne, sehen aber anders aus: Das Dach ist immer 2,50 Meter und nicht 5 Meter hoch, und sie haben auch ansonsten andere Features. Man drückt drei Knöpfe, unddas Ding klappt auf – aber es bleibt immer ein Lastwagen. Die Fläche an sich ist sehr be-grenzt, eine Traglast im Dach oder Traversen, an die man etwas montieren kann, ist gar nicht vorhanden.
Aber es gibt auch mobile Bühnen, die per Knopfdruck aufgebaut werden?
Alle großen Trailerbühnen arbeiten mit hydraulischen Systemen, die mit Knöpfen oderHebeln bedient werden. Bei uns geschieht dies immer durch das Bedienteil einer Funk-Fernsteuerung. Leider reicht es aber nicht aus, nurein paar Knöpfe zu drücken, und die Arbeit ist getan. Die hydraulische Anlage dient nur dazu, die Baugruppen zu bewegen, für die Körperkraft nicht ausreicht. Wenn die Hydraulik ihre Arbeit erledigt hat, bleibt noch genug Handarbeit zu tun: Geländer setzen, Windverbände einbauen, Spindeln anziehen usw. Dennoch ist die Zeitersparnis enorm: Im Vergleich zu einer modularen Bühne fallen beim Aufbau nur 10-15 anstelle 100-150 Mannstunden an.
Verlierer der Pandemie ist eine andere große Bewegung: Fridays For Future. Ist es in diesen Zeiten noch möglich, nachhaltig zu wirtschaften? Was ist überhaupt an mobilen Bühnen nachhaltig?
Ich sollte vor einiger Zeit einen Bericht über Nachhaltigkeit schreiben. Natürlich sammeln wir unser Regenwasser, heizen mit Holz und nutzen unseren Solarstrom vom Dach. Das habe ich alles geschrieben. Doch dann habe ich angefangen, mich mit der Nachhaltigkeit vonStahl zu beschäftigen. Ein Produkt aus Stahl wird in der Regel drei mal recycelt. Also ein Stück Stahl wird einmal im Stahlwerk hergestellt und hält ungefähr 100 Jahre und manifestiert sich im Schnitt in drei verschiedenenFormen. Und damit sind wir bei den großen Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Viele sagen, die Stahlwerke und die Zementwerke sind die schlimmsten Umweltverpester, und da ist auch etwas dran. Aber wenn man das jetzt mal in Relation setzt zu der Lebensdauer des Produkts, dann hat es doch schon wieder eine gewisse Nachhaltigkeit, oder? Hinzu kommt die Nachhaltigkeit bei Transport und Handling.
Unsere Bühnen halten 20 Jahre oder länger und kommen mit sehr wenig Wartung aus. Lediglich die Dächer (aus Plane oder Blech) müssen im Schnitt nach zehn Jahren einmal getauscht werden.
Die nachhaltige Zukunft wird im Moment überlagert von den Problemen der Krise. Die jungen Leute kommen sicherlich zurück, und werden ihre Themen setzen.
Bei einer solchen Langlebigkeit: Ist derMarkt dann nicht irgendwann gesättigt?
Dieser Markt sättigt sich nicht. Unsere Klientel segmentiert sich ja. Das sind zum einen die Städte und Kommunen, die in der Regel ihre eigenen Bühnen haben und diese nach 10 bis 15 Jahren austauschen. Die Verleiher bilden die zweite Gruppe. Hier folgt das Investment anderen Regeln: Große Verleiher tauschen ihr Material regelmäßig aus. Die Lebensdauer spielt hier kaum eine Rolle, die Verleiherwollen „frisches Material“ haben, damit siebeim Kunden besser dastehen oder auch, weilsie aufgrund hoher Gewinne etwas abschreibenmüssen – die Gründe sind vielfältig. Verleiher wechseln ihren Bestand an mobilen Bühnen etwa alle vier bis sechs Jahre.
Außerdem verändert sich der Markt: 8 x 6Meter-Bühnen mit Traversen und Bühnenpode, die vor 20 Jahren noch als Renner galten, braucht heutzutage keinMensch mehr.
Aber alle klagen über zu wenig und zu teures Personal und schreien nach effektiven Lösungen im Bereich großer Bühnen. Hier ist es nun einmal so, dass man heutzutage Personal mieten muss, das kostet minde-stens 30 Euro die Stunde. Nach acht Stunden lassen die den Hammer fallen bzw. wenn sie länger arbeiten müssen, dann kosten sie 25 % mehr. Um eine große Bühne zu bauen, braucht man im Schnitt zehn Leute für zwei Tage – und das ist dann das Feld, in dem wir uns bei den großen Bühnen bewegen. Allerdings gehen unsere Überlegungen nicht in Richtung größerer Bühnen, sondern eher höherer Individualität, d.h. wie ge-hen seit einigen Jahren exakt auf Kundenwünsche ein, seien es veränderbare Bühnenhöhen oder seitliche Anbauten oder FOH-Bereich.
Seit rund drei Jahren sind wir auch im Maschinenraum etwas andersaufgestellt und haben auch einen Maschinenbauingenieur und einen Metallbaumeister in unseren Reihen. Diese gehen die Dinge anders an, als wir es früher als Mischung aus Praktikern, Kaufleuten und Handwerkern getan haben. Ich würde sagen, wir arbeiten heute deutlich substantieller und erreichen so die besseren Lösungen. Da auch mein Arbeitsleben wie alles irgendwann ein Ende hat, arbeitet sich seit April diesen Jahres mein Sohn Fritz als Ingenieur in das Aufgabenfeld ein, um in absehbarer Zeit das Steuer zu übernehmen.
Haben sich angesichts des vergangenen Jahres durch Corona diese Ziele des Unternehmens verändert? Sind die geplanten Neuheiten geblieben, oder hat man reagiert?
Wir haben sehr schnell nach Ausbruch der Krise die Entwicklung anunserem Programm, unsere großen Bühnen durch einfach zu handelnde Anbauten festivaltauglich zu machen, gestoppt. Wir hatten geplant, ei-nen mobilen FOH und mobile Anbauten für unsere Großbühnen zu entwickeln. Dieses Projekt wurde auf 2022 verschoben. Wir investierenmassiv in Vertrieb und Marketing und haben neue Produkte entwickelt, mit denen wir unseren angestammten Markt zum Teil verlassen.
Zum Beispiel?
Wir haben mit dem smartScreen Guide ein digitales System zum Crowd Management entwickelt, das überall dort zum Einsatz kommt, wo Menschenströme geleitet werden sollen, von allgemeinen Veranstaltungen über Festivals, Messen oder im Verkehr bis hin zu Corona-Impf-Stationen. Das System besteht aus einem LED-Screen mit einfach zu bedienender Zuspiel-Einheit, der auf einem Mast montiert ist. In der kleinen Version ist der Mast fest und der Screen hat das Format von ca. 2 x 1 m. Die große Version hat einen Screen von ca. 4 qm, der horizontal und vertikal ausgerichtet werden kann und mit einem hydraulischen System auseiner Kiste ein- und ausfährt. Beide Systeme funktionieren plug-and-play und brauchen keinen Techniker für Aufbau und Betrieb.
Neu ist auch eine mobile Raumeinheit „smartSpace“, die sich aus einer LKW-Wechselbrücke zu einem überdachten, ca. 100 qm großen Raum mit einem 5 Meter hohen Dach ausklappt, einsetzbar etwa im Bereich Hospitality oder bei Merchandise-Einheiten auf Veranstaltungen aller Art.

 
smartStage 180

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smartSpace

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Zurück zum Kerngeschäft der Bühnen: Wie lange dauert dieFertigung einer Bühne im Schnitt?
Man muss hier Herstellungsprozess im Stahlbau und den Montageprozess unterscheiden. Also eine kleine Bühne zu montieren, dauert zwischen drei und fünf Tagen. Bei den großen Bühnen gibt es Stahlbaugruppen. Da braucht man pro Stahlbaugruppe ungefähr eine Woche bei einem Schweißer – insgesamt also vier bis sechs Wochen für den Stahlbau. Die anschließende Beschichtung dauert zwei Wochen, danach folgt der Transport, und dann wird montiert. Eine Smart Stage 120 montieren wir in zwei Wochen. Zusammengefasst beträgt die reine Arbeitszeit rund acht Wochen, mit Lieferzeiten usw. das Doppelte – also 15 bis 16 Wochen für eine große Bühne.
Verkauft Kultour auch ins Ausland?
Sehr viel! Unsere Exportquote bezogen auf den jährlichen Umsatz vonetwa zwei Millionen Euro beläuft sich häufig auf 50 Prozent. Wir verkaufen viel in die Schweiz, nach Skandinavien und sogar nach Australien und Afrika. Viele Kontakte entstehen über das Internet. Die Interessenten geben „mobile stage“ ein – und wir werden „ausgespuckt“. Wir pflegen einen intensiven und guten Kundenkontakt, da wir ja ausschließlich direkt verkaufen.
Auch Messen sind für uns sehr wichtig. Aber während der derzeitigen Pandemie flammt die Skepsis gegenüber Messen wieder auf. Wird es in 15 Jahren noch Messen geben, oder werden Messen durch das virtuelle Angebot ausgetrocknet? Ich denke, dass Messen verschiedene Funktionen haben, hauptsächlich „Meet & Greet“ und natürlich die Präsentationvon Produkten. Meet & Greet könnte man auch anderswo machen, aberunsere Produkte zeigen können wir nur im realen konkreten Raum. Und wenn jemand eine größere Summe investiert, dann will er das Produktreal sehen - nur auf dem Papier oder im Netz reicht da nicht aus. VieleAussteller knüpfen ihre Entscheidung an die Kosten-Nutzen-Frage und gehen mit gewissen Erwartungen auf eine Messe. Wir schrauben unsere Erwartungen gar nicht so hoch, denn – ganz ehrlich: Wir wissen nicht,was als Ergebnis bei einer Messe herauskommt. Für mich ist daher der Verkaufserfolg die Summe aus allen Marketingaktivitäten insgesamt und nicht von einer isolierten, speziellen Aktivität.

Und wie wichtig sind aus Sicht von Kultour Fachverbände wie VPLT, ISDV & Co.?
Fachverbände sind schon wichtig, wobei mein Eindruck war, dass Jens Michow mit seinen Veranstaltern (BDKV = Bund Deutscher Konzert-Veranstalter - Anmerkung der Red.)während der Corona-Krise am bestendurchgedrungen ist, auch in der Politik und bei den Medien. Möglicherweise deshalb, weil dieser Verband das klarste Profil hat und nicht eine Reihe von Mitgliedern mit unterschiedlichsten Interessen vom Lehrlingüber den Solo-Selbstständigen bis hin zu Dienstleistern und Herstellern wie beim VPLT. Inwieweit die jetzt beschlossenen Maßnahmen auf welche Intervention von welchem Verband zurückzuführen ist, kann ich nicht beurteilen. Allerdings sollten sich meines Erachtens Verbände hin-sichtlich ihrer Mitglieder stärker profilieren und besser vernetzen.
Noch einmal ganz zurück zum Anfang: Aus dem Freundeskreis von damals ist also einmal der Bühnenhersteller Kultour hervorgegangen. Und sonst?
Die Firma Kultour und Tourneeservice, die den gleichen Schriftzughat wie wir, gibt es heute noch. An der Firma sind wir aber nicht beteiligt. Von den ursprünglich fünf Eigentümern ist heute nur noch die Firma Prima Klima aus Berlin aktiv. Dieser Markt hat sich entgegen meiner Erwartung sehr gut entwickelt. Dadurch, dass die Künstler heute nur noch auf Tour ihr Geld verdienen, hat sich dieser Tourneebereich unglaublichausgeweitet. Wir alle blicken jedenfalls mit Spannung und Hoffnung aufein baldiges Ende der Krise und positiv ins Jahr 2021.

 
smartScreen Guide

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